Weltweit haben sich soziale Bewegungen in den Konfliktlinien neoliberaler Neuordnungsprozesse des Städtischen positioniert. Neben existentiellen Forderungen nach angemessener Wohnungsversorgung, einem freien Zugang zu städtischen Infrastrukturen und einer umfassenden Bewegungsfreiheit artikuliert sich in den Protesten auch das Begehren auf Mitbestimmung, Selbstverwirklichung und Gestaltung künftiger Entwicklungen.
Im Unterschied zu den sozialen Kämpfen der fordistischen Ära müssen soziale und politische Rechte heute jedoch immer öfter privaten AkteurInnen abgetrotzt werden. Der Abschied von der Wohlfahrtsorientierung und die Etablierung unternehmerischer Strategien in der Stadtpolitik sind mit der Durchsetzung von Formen des Regierens verbunden, in der die Herstellung eines Konsens die Austragung von Konflikten ersetzt, in der ein technokratisches Management an die Stelle von demokratischen Verfahren tritt und ein depolitisierter Populismus die Fragen der Macht und struktureller Widersprüche aus den öffentlichen Auseinandersetzungen verdrängt.
Recht-auf-Stadt-Bewegungen stehen für die Praxis der Aneignung und bieten eine Klammer zur Kooperation verschiedener stadtpolitischer AkteurInnen. Insbesondere in der Fähigkeit der neuen städtischen Bewegungen, aus den vielfältigen Fragmentierungen etwas Gemeinsames zu erschaffen, erlangen städtische Utopien und Perspektiven der Repolitisierung konkrete Gestalt. Die in den Protesten aufblitzenden Momente der Aneignung, der Selbstermächtigung und der Solidarität zeigen: Die Stadt von Morgen entsteht nicht auf Reißbrettern und in Lesesälen, sondern liegt auf der Straße.
Andrej Holm ist Sozialwissenschaftler, Stadtsoziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Stadt- und Regionalsoziologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht zu Themen der Stadterneuerung, Gentrifizierung und Wohnungspolitik im internationalen Vergleich.