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Hermann Knoflacher: Post-Auto-Mobil (urbanize! Festival 2014, Wien)

8 October 2014

Mobilität ist immer Teil von Gesellschaftsmodellen und somit in Abhängigkeit von deren Strukturen und Formationen zu sehen. So wie das Schiff das typische Verkehrsmittel für den imperialistischen Kolonialismus war und die beginnende Industriegesellschaft ohne Eisenbahn nicht zu denken ist, gehört das Automobil zur fordistischen Konsumgesellschaft der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Übernahme der Herrschaft des Automobils war jedoch keineswegs immer Folge einer (markt-) wirtschaftlichen Entwicklung, in der ein überlegenes Produkt die bisherigen Angebote verdrängt, wie zahlreiche Fälle einer gezielten, profitgesteuerten Verdrängung des öffentlichen Verkehrsangebot belegen. Ebenso oft waren politische Entscheidungen dafür verantwortlich, dass öffentliche Verkehrsmittel trotz hoher Nachfrage eingestellt wurden.

Derzeit befinden wir uns wieder in einer Umbruchphase, in der entschieden wird, wie die Mobilitätsangebote der Zukunft aussehen werden. Unterschiedliche Interessensgruppen kämpfen um die Hegemonie in der Debatte – und um künftige Profite. Speziell die Automobilindustrie investiert große Summen, um nicht an Marktanteilen zu verlieren und die Zukunft der Mobilität weiterhin zu dominieren. Im Zentrum dieses Machtkampfes stehen urbane Zentren, weil hier die Erzählung vom Auto als Symbol für Freiheit und Individualität am stärksten an Überzeugungskraft verliert und junge Menschen das Auto immer weniger als Statussymbol sehen. Doch welche Verkehrsmittel wollen und brauchen wir für unsere Stadt der Zukunft? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Mobilität, Gesellschaftssystem und urbanem Leben?

Hermann Knoflacher war 1975 bis 2008 Vorstand des Institutes für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien. Er studierte Bauingenieurwesen, Geodäsie und Mathematik. 1970 gründete er das Institut Verkehrswesen beim Kuratorium für Verkehrssicherheit, das er bis 1982 leitete. Seit 1963 praktische Planungsarbeiten. Viele Jahre u. a. Fachberater des Verkehrsministers, in EU-Kommissionen. Forschungsschwerpunkte: Menschen in der technischen Umwelt von Verkehr- und Siedlung, Evolution und Systemverhalten der Mobilität.